Wild und brutal

Die Zurich Renegades entstehen im Schneegestöber und sind zuerst bayrisch.

Wild und brutal waren die Gründerjahre der Renegades. Wild, weil die Jungs wirklich zuerst ein durchgeknallter Haufen waren. Brutal, weil sie genau so einstecken mussten und dann brutal erfolgreich wurden. Lies hier, wie die Renegades den Football in der Schweiz gross gemacht haben.
Text: Michael Perricone


Ein haufen Wilder: Ab Beginn 1984 auf dem Trainingsplatz Forenweid beim Zürcher Zoo
Ein haufen Wilder: Ab Beginn 1984 auf dem Trainingsplatz Forenweid beim Zürcher Zoo

"Es ist März 1983 und wieder einmal renne ich abends alleine der Reuss entlang in meinem Dallas Cowboys Shirt, in der linken Hand trage ich wie üblich den Football. Niemand sonst in der Gegend hat eine Ahnung von Football und so werfe ich den Ball selber hoch in die Luft, um ihn Sekunden später wieder aufzufangen. Ich wünschte mir, in der Schweiz Football spielen zu können.“ (René Scholl, Mitgründer der Zurich Renegades)
Im Verlauf des Sommers 1983 wird die Sache dann konkreter. René Scholl und Rolf Reinhard gründen am 17. November 1983 die Zurich Renegades und schreiben die Statuten des Vereins. Über Plakate in verschiedenen Schulhäusern finden sie andere Football-Fans und im Winter 1983/84 trifft man sich zu den ersten Football-Trainings der Deutschschweiz - schon damals auf dem Platz beim Zürcher Zoo. „Ein Haufen Verrückter stampft einen Streifen von vielleicht 20 mal 40 Meter nieder, um sich dann innerhalb dieser Grenzen aufeinander zu stürzen. Eine Schramme im Gesicht, eine aufgeplatzte Lippe, durchfroren, aber glücklich über das Football-Training.“ (Chris Stahel, damaliger Spieler der Zurich Renegades).

Die erste Handlung es jungen Vereins war natürlich das Anwerben weiterer Spieler für die in der Schweiz noch unbekannte Sportart. Im Frühjahr 1984 fuhren die ersten Renegades nach Lugano in ein Zeltlager. Dort kam es zum allerersten Spiel der Renegades gegen ein anderes Team (wobei etliche Spieler noch nicht einmal eine volle Football-Gear trugen) und zum allerersten Sieg, leidtragende waren die Gallus Tigers. Danach wartete die Übermacht im noch völlig neuen Schweizer Football, die Lugano Seagulls. Die Luganesi profitierten von der bereits laufenden Liga in Norditalien, wo Football dank der Anwesenheit von US-Soldaten bereits Fuss gefasst hatte, und so dominierten die Lugano Seagulls die ersten Geburtsjahre der Football-Szene in der Schweiz. Die Renegades traten halb ausgerüstet und zu 11t gegen das richtig tiefe 50er-Kader der Seagulls an. Nach der ersten Halbzeit war dann Schluss …
Die Renegades aber bauten sich weiter auf und spielten in der zweiten Jahreshälfte 1984 erste Freundschaftsspiele im Inland und im Ausland trat das junge Team auch erstmals an: Gegen die Rothenburg Knights in Deutschland - erstmals spielten ein Schweizer und ein deutsches Football-Team gegeneinander.

Logo ab 1985: Das fliegende r
Logo ab 1985: Das fliegende r

Schon 1985 wagten die Renegades den Schritt in eine Liga: Die Bayrische Oberliga sollte es sein, denn in der Schweiz waren zu wenig Teams einsatzbereit. Was die taufrische Mannschaft an Ehrgeiz und Können mitbrachte, zeigte sich schnell und die Renegades konnten schlussendlich das Jahr auf dem 3. Rang beschliessen.
Ebenfalls veranstalteten die St. Gallen Raiders den Raiders-Bowl:
Die Renegades schlugen erstmals die Seagulls und standen im Final gegen die Feldkoch Oskar Hawks. Nach einem 6:6 erklärte schlussendlich eine Jury die Österreicher zum Sieger. Die Seagulls wiederum schlugen die Renegades 1985 bei ihrem eigenen Turnier in Lugano.

1985: Renegades in der bayrischen Oberliga
1985: Renegades in der bayrischen Oberliga

1986 war es dann soweit: Inzwischen waren genügend Teams in der Schweiz bereit für eine eigene Liga, die in eine Eastern- und eine Western-Division aufgeteilt nach US-Modus bis hin zum ersten Swiss Bowl ausgetragen wurde. Die Renegades selber stellten bereits ein Kader von 40 Spielern, besiegten im Eastern-Division-Final die Bienna Jets und nahmen so am allerersten Final der Schweizer Football-Meisterschaft teil. Stilgerecht wurde dieses vor grosser Kulisse in der Bundesstadt Bern ausgetragen und nur knapp - um ein Fieldgoal - verloren die Renegades gegen die bis anhin übermächtigen Lugano Seagulls (6:9). Den zweiten Raiders-Bowl im Herbst 1986 gewannen die Renegades dann bereits überlegen.
Die Erfolge motivierten. Football in der Schweiz hatte einen festen Boden gefunden, die Zürcher entwickelten sich zur Macht in der Deutschschweiz und gründeten noch 1986 das erste Juniorenteam überhaupt hierzulande.

1. Meistertitel 1987
1. Meistertitel 1987

Für 1987 war das Ziel klar: Der Meistertitel sollte nach Zürich geholt, die Dominanz der Seagulls gebrochen werden. Die Zürcher Schlagkraft war in dieser zweiten Saison bei jedem Spiel sichtbar und nach dem Division-Sieg (dieses mal gegen Basel Meanmachine) standen die Renegades zum zweiten Mal im Swiss-Bowl, dem Finalspiel. Wieder waren die Seagulls aus Lugano der Gegner - aber diesmal klappte es: Noch drei Jahre zuvor schauten sich die ersten Renegades in Lugano ein Football-Spiel an - für viele das erste überhaupt - mit Staunen und Ehrfurcht. Jetzt konnten die Zürcher die grossen Seagulls im Finalspiel deutlich mit 42:6 schlagen und holten den ersten Schweizermeister-Titel nach Zürich und in die Deutschschweiz. Im ersten Meisterjahr des Clubs spielten im First Team über 40 Männer mit und auch die Junioren hatten mit 45 Jungs ein breites Kader. Auch eine 15-köpfige Cheerleader-Truppe war in dieser Saison mit dabei, löste sich aber im Querelenjahr 1989 wieder auf.

Mit verschiedenen Freundschaftsspielen gingen die Renegades kraftvoll und zuversichtlich in die Saison 1988 hinein, auch zwei Coaches waren dazugestossen. Was zuvor aber den Zürchern hinblicklich den Seagulls gelungen war, gelang nun zunehmend auch anderen Teams: sie holten auf. 1988 konnten die Renegades nicht wie erwartet durchmarschieren, sondern mussten sich mit viel Glück in den dritten Swiss-Bowl spielen. Aber es klappte: Zum dritten Mal von drei Ausgaben standen die Renegades im Final, diesmal allerdings denkbar knapp dank einem Forfait im Division-Game der Bülach Giants. So holten sich die Renegades schlussendlich überraschend den zweiten Titel, dieses Mal gegen die Bienna Jets (14:6). Die Lugano Seagulls konnten nie mehr an ihre grosse Zeit anknüpfen und lösten sich später auf.

Parallel zu den Liga-Spielen flogen die Renegades zu ihrer ersten Euro-Bowl-Teilnahme nach London. Ein grosses Abenteuer für den amtierenden Schweizer Meister, lag doch das Football-Niveau europäisch deutlich über jenem in der Schweiz. Das Ausscheiden in der ersten Runde gegen die Milan Froggs war voraussehbar - das Erlebnis aber entschädigte allemal.

Das erste Year- und Playbook der Renegades
Das erste Year- und Playbook der Renegades

1989 schienen die Renegades für den dritten Titel in Serie und die vierte Final-Teilnahme parat zu sein. Die Playoff-Qualifikation war so gut wie geschafft, als interne Spannungen im Coaching entstanden und ein regelrechtes Zerwürfnis den Club erfasste. Rund 90% der Spieler verliessen den Verein, wechselten zu den Zug Dolphins oder in den Ruhestand. Trotz Playoff-Qualifikation beschloss der Vorstand, das Team aus der Saison zurück zu ziehen, worauf der direkte Abstieg in die mittlerweile gegründete B-Liga erfolgte.

In memoriam: Ingrid Grob, Spielermami, führte als Präsidentin die Renegades in den wilden Gründerjahren.
In memoriam: Ingrid Grob, Spielermami, führte als Präsidentin die Renegades in den wilden Gründerjahren.

Entsprechend starteten die Zurich Renegades, eigentlich gewohnt, die Szene zu dominieren, ins neue Jahrzehnt. Niemand ahnte, dass es tatsächlich zehn Jahre dauern würde, bis man an die Erfolge der Gründerzeit anknüpfen können würde. 
Aber der erste, wichtigste Schritt, wurde 1990 erreicht: Nach einer harten Saison mit Siegen und Niederlagen standen die Zürcher schlussendlich im Finalspiel der B-Liga und erkämpften sich gegen die Zug Dolphins den Direktaufstieg in die A-Liga zurück.

Cheerleader 1992
Cheerleader 1992

Wie stark die Schweizer Football-Konkurrenz inzwischen geworden war, mussten die Renegades 1991 schmerzlich lernen: Von sechs Vorrundenspielen gewannen sie gerade mal eines. In der Hoffungsrunde allerdings besannen sich die Renegades auf ihre Dominanz der Gründerzeit und dank einem breiten Roster errangen sie schlussendlich den 3. Rang ihrer Division und sicherten so den Liga-Erhalt.

First Team 1992
First Team 1992

1992 zeigte sich ligaweit, was zuerst die Seagulls (Auflösung) und ein klein wenig auch die Renegades (Querelen) ereilte: Die Gründerjahre und die damit verbundene Euphorie waren vorbei, die Teams und ihre Liga mussten sich im „sportlichen Alltag“ beweisen. Das gelang nicht allen: Die A-Liga wurde auf fünf Teams reduziert, die Zürcher verloren kurz vor Saisonstart den Headcoach. Den Renegades lief es dennoch etwas besser als im Vorjahr - zwei von vier Vorrundenspielen konnten gewonnen werden und im Relegationsspiel zwangen die Renegades den B-Meister Winterthur Warriors klar nieder.

1992: Junioren-Renegades
1992: Junioren-Renegades

Dafür herrschte in der Juniorenwelt noch Aufbruchstimmung: Ende August 1992 organisierten die Zurich Renegades das erste Junioren-Turnier der Schweiz, dies auch als Vorbereitung für die erste Schweizermeisterschaft der Junioren. Das Turnier gewannen die Zürcher Junioren überlegen - Auftakt für die bis heute (!) kaum gebrochene Erfolgsgeschichte der Zürcher Juniorenabteilung. Im Meisterschaftsfinale stiessen die Renegades-Junioren dann auf jene der Berner Grizzlies, fegten diese in der Nachspielzeit vom Platz und so wurden die Zurich Renegades erster Schweizer Football-Juniorenmeister.

1991: Hochzeit Chris Stahel, Linebacker der ersten Stunde und später Coach
1991: Hochzeit Chris Stahel, Linebacker der ersten Stunde und später Coach

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